
Wir alle wurden Zeugen eines historischen Moments: Bundesinnenminister Friedrich erklärt öffentlich, seinen Aufgaben nicht gewachsen zu sein und erfindet als Ausrede das „Supergrundrecht“. An sich gehört es zu den Aufgaben eines Innenministers die im Grundgesetz festgelegten Grundrechte zu schützen, so was wie Menschenwürde oder Post- und Telekommunikationsgeheimnis. Und das kann er nicht. Man darf natürlich annehmen, dass er es auch nicht wirklich ernsthaft will, schließlich ist er bekennender Fan der Vorratsdatenspeicherung.
Was macht man normalerweise mit Mitarbeitern, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind? Man versetzt oder feuert sie und sucht jemanden, der die Anforderungen der Stelle erfüllt. Nicht so in der Politik. IM Friedrich, der „USA-Verteidigungsminister“, ist immer noch in seinem Amt und Angela „ich wusste von nichts und warte mal ab“ Merkel erweckt nicht den Eindruck, aus der Bankrotterklärung ihres Ministers irgendwelche Konsequenzen ziehen zu wollen. Denn IM Friedrich hat sich auch schon gleich die perfekte Ausrede einfallen lassen, warum der Schutz unserer Grundrechte nicht so wichtig ist: Es müsse jeder selbst dafür sorgen, dass sein Recht auf private Kommunikation nicht verletzt würde, schließlich müsse er, der Super-IM Friedrich, sich um wichtigeres kümmern, das von ihm geschaffene „Supergrundrecht Sicherheit“.

IM Friedrich und seine Supergrundrechtskappe (Foto: @nordkiez)
Die Bürger sollen doch gefälligst ihre Kommunikation verschlüsseln und (Achtung, bitte etwas Beherrschung und nicht lachend zusammenbrechen) Virenscanner installieren. Natürlich stimmt es, dass jeder überlegen sollte, welche Teile der eigenen Kommunikation besser verschlüsselt werden sollten, natürlich sollte jeder darauf achten, seine Systeme vor Malware zu schützen – aber das kann es nicht gewesen sein! Die Strafverfolgung von Ladendieben wird doch auch nicht aufgegeben, nur weil die meisten Kaufhäuser eigene Detektive und Überwachungskameras haben. Aber genau das schwebt IM Friedrich vor: Die Geheimdienste einfach schnüffeln lassen und nichts dagegen unternehmen. Zwar verletzten die damit Grundrechte, aber das ist ja nicht sein Problem – soll man halt verschlüsseln. Und im übrigen hat er ja wichtigeres zu tun.
IM Friedrich ist nicht in der Lage (oder willens) die Grundrechte der Bürger in diesem Land zu verteidigen und erklärt es zur „Privatsache“ jedes Einzelnen, damit er sich seinem neu geschaffenen „Supergrundrecht“ widmen kann, um das er sich natürlich vorrangig kümmern muss. Ganz nebenbei lässt sich dieses „Supergrundrecht“ nur schützen, wenn man dafür einen dicken, stinkenden Haufen auf die anderen Grundrechte setzt. Aber deswegen heißt es ja Supergrundrecht.
Man kann es auch anders sehen, meiner Meinung nach besonders treffend hat es Sascha Lobo formuliert:
Für seine Kabinettsfunktion bedeutet das: der Bundesinnenminister müsste sich erst noch zum Totalausfall hocharbeiten.
Aber es geht noch besser: Sein Parteifreund Hans-Peter Uhl schafft gleich mal das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ab und bezeichnet es angesichts des technischen Fortschritts als „Idylle aus vergangenen Zeiten“. Mit der Begründung könnte man auch den Medienkonzernen erklären, dass sie ihre teilweise verzweifelten Versuche die Hoheit über die Verbreitung ihrer Werke zu behalten doch einfach sein lassen sollen. Angesichts des technischen Fortschritts ist das Urheberrecht doch auch nur eine „Idylle aus vergangenen Zeiten“. Aber nein, in diesem Fall wollen genau diese Politiker, die jetzt die Grundrechte der Bürger dieses Landes zur Privatsache erklären mit allen rechtlichen Mitteln gegen den technischen Fortschritt kämpfen. Wenn die auch nur halb so viel Einsatz beim Schutz unserer Grundrechte zeigen würden, wie bei ihrem Kampf für die Umsätze von Unternehmen, dann wären wir einen großen Schritt weiter. Wenn Frau Merkel sich für die Rechte ihrer Wähler so einsetzen würde wie für die Möglichkeit einiger Autokonzerne weiterhin gewaltige Spritschlucker zu verkaufen…
Was wir tun können? Am 22. September wählen gehen und die Stimme eben nicht einer der Parteien geben, die ganz offensichtlich keinerlei Interesse daran haben, etwas für den Schutz unserer Grundrechte zu tun. Geht auf die Strasse, besucht Demos – natürlich kann die Meinungsäußerung im Netz niemals schaden, aber erst wenn viele Menschen auf die Straße gehen ist ein Thema für die etablierten Parteien wirklich relevant. Für die ist alles, was online passiert noch irgendwie „virtuell“ und nicht real. Zum Beispiel finden am 27. Juli bundesweit Demos gegen die massenweise Überwachung statt.
Natürlich ist auch die „digitale Selbstverteidigung“ durch Verschlüsselung eine Möglichkeit, es den Überwachern zumindest ein bisschen schwerer zu machen – die Piratenpartei veranstaltet derzeit bundesweit Kryptopartys (gerne weise ich auch auf weitere Kryptopartys hin, immer her mit den Hinweisen). Aber wir dürfen niemals vergessen, dass dies nur ein Workaround sein kann, ein Hotfix, aber nicht die Lösung, denn:
Es ist nicht die Aufgabe der Bürger, ihre eigene Kommunikation zu schützen. “Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich”, heißt es in Artikel 10 des Grundgesetzes. Abhörfreie Telefonate sind ein Grundrecht. Dieses Grundrecht zu schützen, ist Aufgabe des Staates. Es darf nicht privatisiert werden.
Disclosure: Ich bin immer noch Mitglied der Piratenpartei und seit kurzem auch noch einer der beiden Pressesprecher des Landesverbands Saarland. Und jetzt kann sich jeder selbst ausdenken, wer am 22.9. meine Stimme bekommt und welche Partei ich persönlich empfehlen würde zu wählen ;)